Autor |
Nachricht |
UweS VX-Meister
Anmeldedatum: 10.05.2008 Beiträge: 953 Wohnort: Bad Homburg
|
Verfasst am: Di Mai 29, 2018 20:11:54 Titel: Fachwerkstattmangel. Auch ich bin Schuld. |
|
|
Nachdem ich ja schon so meine Gedanken zum Thema „der perfekte Schrauber“ zum Besten gegeben habe, gehe ich heute mal hypothetisch auf die Suche nach den Fachwerkstätten.
Wie alles begann.
In den 70 Jahren schossen die Vertragshändler japanischer Motorräder wie Pilze aus dem Boden.
Diese Händler waren echte Kerle. Aus Benzin, Öl und Metall hergestellt, allwissend der revolutionären Technik die aus fernen Landen zu uns schwappte und die einzige Verbindung für Motorradfahrer in den Genus von Freiheit und Abenteuer zu gelangen.
Und komischer Weise lag auf der Werkbank „immer“ ein Metallammer, ein Öl triefender Lappen zum Hände sauber machen und eine Auswahl von Schrauben und Unterlegscheiben die nach dem letzten Zusammenbau übrig geblieben sind.
Sie konnten alles, sie wussten alles, sie machten alles.
Alles?
Ja, über ihre Marke.
Freie Marken ungebundene Werkstätten gab es quasi gar nicht oder selten.
Im folgenden bleiben wir mal bei z.B. Suzuki (nur so zum Spaß).
In meiner Heimat Mittelerde (also ich sag mal Rhein/Main inkl. Speckgürtel), gab es so ca. 20 Suzuki Vertragswerkstätten.
Hier wurden die Motorräder gekauft, Inspektionen durchgeführt, repariert und Ersatzteile besorgt.
Und ganz wichtig…...der Kerl aus Benzin, Öl und Metall sagte dir was du brauchst, den er war der „Allwissende“.
Also….Motorräder gekauft…..ja.
Inspektionen durchgeführt…….na ja…..zumindest die Erste (die war ja meist kostenlos)….eventuell die Zweite….aber dann?
„bis ich da einen Termin bekomme“…….“was das kostet!“…….“kann so Schwierig nicht sein“…...“ich hab mir ne Reparaturanleitung gekauft“…...“mein Kumpel kann das“……….u.s.w.
Also….Ersatzteile gekauft….ja
Und so ging das Munter weiter. Der Kunde wurde technisch versierter und der Kerl mutierte zum Verkäufer.
Heute gibt es in der selben Region noch 4 Suzuki Händler. Ein Teil ihres Geschäfts erwirtschaften sie durch Scooterverkauf, andere Teile durch Zubehörverkauf und Leasinggeschäfte.
In den Werkstätten werden noch hier und da ein paar Inspektionen durchgeführt, meistens die Erste, und Vorbereitungen für den TÜV, der kommt nächste Woche wieder.
So in Etwa war ja der Lauf der Dinge.
Und jetzt kommt noch unsere VX dazu.
In den Jahren 90 bis 96 wurden, nur mal so ne Zahl genannt, ich sag mal 200 Stück in der Region verkauft.
Sind also bei jedem Händler 10 Stück.
Jetzt kommen die Inspektionen, Reparaturen und Umbauten, sind so ca. 20 Stück pro Jahr und Händler.
Ha...habt ihr`s gemerkt….20 im ersten Jahr…….später werden es weniger.
Ne VX mit im Mittel 60000 km nach 20 Jahren hat max. 5 Inspektionen gehabt, also alle 4 Jahre eine.
Sind dann also nur noch 5 Werkstatt Aufenthalte pro Händler und Jahr.
Und seid ehrlich, die Zahl stimmt nur wenn nicht solche „Hobbyschrauber“ und selbsternannten „Fachleute“ wie ich alles selber machen.
Heute gibt es noch, ich hoffe, 20 VXen in der Region. Bei 4 Händlern. Sind 5 Werkstattaufenthalte.
Oder?
Also ehrlich….also ich…..wie soll ich sagen……..ich warte und repariere ja selber…….und die Teile...na ja…..es gibt ja Online.
Und dann macht`s „Bumm“ und ich brauch eine Fachwerkstatt.
Aber bitte mit Erfahrung, und Qualität, fairer Preis, schneller Termin, und er darf um Gottes Willen nicht sagen das ich den Murks den er herrichten soll verzapft hab.
Aber wo kommt die Erfahrung her?
Und die freien Werkstätten?
4 japanische Marken, 2 italienische, 1 deutsche und zur Not noch 1 österreicher...natürlich von Bj. A bis Z, die haben bestimmt Erfahrung für jedes einzelne Modell.
Diese Kerle, aus Biosprit, Rapsöl und Leichtmetall hergestellt, schraubend in Einweghandschuhen, den Gummihammer auf der Werkbank liegend, mit Schraubenkästen für die Restschrauben, sie können auch nicht alles. Woher auch.
Früher war alles anders, nicht besser, aber anders.
Und frei nach dem Motto „erst wenn die letzte Tomate gegessen wurde merken wir, das man aus Gurken keine Tomatensoße machen kann“ warte ich auf die Schließung der letzten Werkstatt.
Und ich bin mit Schuld. Obwohl ich doch so ein „perfekter“ Schrauber bin.
Gruß aus Mittelerfe
Uwe
|
|
Nach oben |
|
|
Amigaharry VX-König
Anmeldedatum: 03.10.2010 Beiträge: 2068 Wohnort: Perchtoldsdorf / Österreich
|
Verfasst am: Di Mai 29, 2018 21:10:22 Titel: |
|
|
Gut geschrieben und mit Sicherheit ein großer Teil der Wahrheit.
Ich habe auch bereits in den 70ern fleißig an Suzukis geschraubt, da wir ja selbst einen Händler + Werkstätte (und ab 76 "Privatrennstallbesitzer") in der Verwandschaft haben. Bereits in den 70ern traute ich aber den meisten "Fachwerkstätten" recht wenig über den Weg - was sich im Laufe der Jahre recht eindrucksvoll bestätigen sollte (egal ob Suzuki, Bultaco, Montessa, Fantic und später Aprilia oder leider auch aktuell manche Guzziwerkstätten, gilt im Grunde eh für alle).
Jedenfalls waren die Kosten in den Werkstätten schon damals im Vergleich zum Anschaffungspreis hoch und das Ergebnis öfter mal, naja, sagen wir "suboptimal". Das, und der Umstand das die damaligen Motorradkäufer eher finanziell schwachbrüstige Jugendliche waren, hat den Selbstschrauberboom natürlich beflügelt. Und da die Technik damals noch überschaubar war, konnte das jeder mittelmäßig Begabte. Heute schaut das zwar etwas anders aus - ohne PC geht bei den neuen Geräten nichts mehr - aber man kann durchaus auch jetzt noch alles selber machen. Die Mechanik ist jetzt nicht revolutionär anders und für die Elektronik lässt sich alles bequem aus dem Internet laden. Und auch heute habe ich die Erfahrung gemacht: In vielen Werkstätten wissen sie nicht wirklich was sie tun. Fehlersuche besteht nur mehr aus (meist sauteuren) Tauschteilen und die mechanische Arbeit ist oft schlampig gemacht (Beispiel: beim 1000km Service an einer 1200 Guzzi Griso das Kardanöl abgelassen, aber vergessen wieder nachzufüllen -> kapitaler Schaden am Umlenkgetriebe).
Es ist schwer, heute eine Werkstatt zu finden, in der noch ein Mechaniker werkelt, der alles von Grund auf kennt und wirklich weis was er tut (um nicht zu sagen einen vom "alten Schlag"), aber hin und wieder gibt es das noch. Wer sowas findet, sollte das hegen und pflegen...... _________________ VX800/Bj95, Guzzi 1200-V8 Sport/BJ2014, GS500F/Bj2004, Aprilia Falco SL1000S/Bj 2003, VanVan 125/Bj 2002, Guzzi Breva750i.E./Bj.2005, Jawa 250/Bj. 1969, Puch Lido SL 125/Bj. 1985 , Puch 125 SV/Bj. 1956 und noch ein paar andere Kleinigkeiten..... |
|
Nach oben |
|
|
GioHO VX-Geselle
Anmeldedatum: 13.10.2016 Beiträge: 204 Wohnort: Höpfingen
|
Verfasst am: Di Mai 29, 2018 23:16:34 Titel: |
|
|
Tja,
das ist die Entwicklung des Menschen. Letztendlich geht es dann nur um den, nennen wir es mal "Gewinn des Einzelnen".
Meine VX war bei meinen Vorbesitzer immer in der "Fachwerkstatt" (kein kleiner Laden was Motorräder anbelangt). Genau diese Werkstatt hat kurz, bevor ich sie erstanden habe, TÜV neu gemacht, und das mit den Bremsscheiben, die dann der Beginn der intensiveren Schrauberarbeit meinerseits (was Dank dieses Forums auch super funktioniert hat) war. Z:B: Antriebsflansch aA (würde ich doch annehmen, eine Fachwerkstatt müsste doch sowas im Zuge einer Inspektion mit TÜV neu finden).
Ich bin (nach Vergaserausbau) auch mal beim verbliebenen Freundlichen von Suzuki in unserer Ecke vorbeigefahren, und habe interressehalber mal gefragt, wass denn die Synchronisation kosten würde. Nun, einer hat sich immerhin dran erinnert, "Ich glaube das ist ein V2, da muss man den Tank runtermachen". Nun, Tank runtermachen muss nicht sein, muss man halt aufpassen, dass man sich die Flossen nicht verbrennt, aber das erste Angebot aus der Hüfte "So mit 160,- musste schon mal rechnen." hat mich da schon etwas in die Ecke gehauen (zumal ich hier im Forum so die Ecke 60,- bis 80,- als fairen Preis gefunden habe). Also doch selber gemacht (Arbeitskollege hatte Messuhren, Zeit, etwa 1/2 Stunde, ohne den Tank runter zu nehmen).
Tja, die Fachwerkstätten sind zum Verkaufen und für die Erstinspektion da. Und ich glaube auch nicht, dass dann nach Garantieablauf einer neuen Maschine soviel Interesse von deren Seite da ist, für den Kunden (also den Motorradfahrer, der eigentlich nicht schrauben, sondern nur fahren will) da noch so viel für die "betagte 3-5 Jährige" noch viel zu einem guten Preis machen wollen.
Und dann kommen wir mit unseren alten VX-en
Aber, die, die solche ollen Kamellen haben wollen, denen gehört es nicht anders! Die müssen selber schrauben, und, letztendlich tun sie das ja auch nicht ungerne. Und das schöne ist, die Gemeinde ist groß , und Hilfe findet man immer! Und dafür auch nochmal ein Dankeschön an diese Gemeinde von meiner Seite . _________________ Grüsse aus Höpfingen
Gio
________________________________________________
1991-er VX800
1980-er Kawa Z250A (mit geballten 17 Pferden ) |
|
Nach oben |
|
|
NavWil VX-König
Anmeldedatum: 01.03.2003 Beiträge: 1250 Wohnort: Bielefeld
|
Verfasst am: Mi Mai 30, 2018 22:19:19 Titel: |
|
|
Super Uwe,
schön geschrieben
Aber so ist das mit unserem Hobby; wir steigen so tief wie möglich in die Materie ein.
Und deine Geschichte ist ein Teil dessen, was am Ende dabei entsteht. Ja ....
Aber ebenso wie wir uns wandeln von einem "nur Fahrer" zu einem Techniker oder Schrauber, muß auch "die Werkstatt" eine Wandlung vollziehen, damit sie nicht dicht machen muss.
Wie heißt das ? Mit der Zeit gehen, oder so.
Es ist wie es ist, und niemand hat die Schuld.
Vor Millionen von Jahren sind wir als Mikroben durch den Schlamm gerobbt.
Heute haben wir schicke Motorräder und können sie zu einem Großteil sogar selbst warten.
Wer weiß, was in 100 Jahren sein wird ????
Genießen wir doch einfach die Zeit in der wir gerade eben leben und sind wir dankbar für die Möglichkeiten die wir haben.
_________________ NavWil
... jetzt ohne VX ... aber dafür mit Yamaha XT1200ZE
... und seit 2018 mit Elektroauto Renault Zoe
... und seit 2024 mit Elektroauto Volvo XC40 recharge |
|
Nach oben |
|
|
Xare VX-Geselle
Anmeldedatum: 04.05.2018 Beiträge: 197
|
Verfasst am: Mi Mai 30, 2018 22:56:29 Titel: |
|
|
Also was ich schon in so genannten "Fachwerkstätten "erlebt habe , hat mich geradezu in die Arme der Eigenleistung getrieben.
Nein!,mitleid ist nicht angebracht,wahrscheinlich rettet das so genannte Händlersterben sogar Leben.
Sorry aber das musste mal gesagt werden.
Gruß Xare |
|
Nach oben |
|
|